Alltag

Eigene Erfahrungen mit behinderten Menschen und Barrierefreiheit?

Barrierefrei. Okay. Das ist ein Wort. Aber was verbinden Sie eigentlich persönlich damit? Was haben Sie für Erfahrungen mit behinderten Menschen und deren Leben gemacht?

Barrierefrei klingt so idealistisch und jeder möchte dieses Wort gerne benutzen, weil es derzeit ohnehin in aller Munde ist. Aber was verbindet jeder persönlich damit? Denn leider berührt das ja ein Thema, welches uns alle angeht. Und nicht nur die behinderten Personen selber. Jeder macht ja seine Erfahrungen mit diesem Topic – negative wie positive. Manche gar keine. Bzw. sie scheuen die Erfahrung zu sehr.

Ich habe zum Beispiel eine Arbeitskollegin, von der ich lange gar nicht wusste, dass sie überhaupt behindert ist. Dass sie fast nichts hört und mich nur versteht, wenn sie mich anstarrt. Irgendwann strich sie sich gedankenverloren eine Haarsträhne hinters Ohr und da sah ich dann die kleinen, feinen Gerätschaften an ihrem Organ. Geduldig erklärte sie mir das Implantat unter ihrer Kopfhaut und dass sich am Anfang alle Menschen wie Roboter anhörten. Sie erzählte es als einen Witz. Der einzige Manko sei, dass sie Musik vermisse, diese zu genießen. Denn jede Melodie klingt, als würde jemand auf einer Metallplatte herum schlagen.

Sie ging mit dem Thema derart sorglos und leicht um, dass ich glaube, dass sie mir das Wort ,,Barrierefreiheit“ gar nicht erklären könnte. Weil sie es nicht erklären muss, sie lebt es einfach.

Dann gibt es da noch den Studenten, der mit nur einem Arm Kunst studiert. Seine Arbeiten sind derart beschwingt, dass man sie beinahe singen hören kann. ,,Man sollte sich auf das konzentrieren, was man hat. Und nicht auf das, was man nicht hat.“ Hat er mir mal schulterzuckend verraten. Natürlich keine so große Weisheit – aber eine, die glücklich macht, wenn man sie sich zu Herzen nimmt. 

Und zu guter Letzt hat sich meine Freundin in einen Rollstuhlfahrer verliebt. Zuerst reagierten viele verlegen auf die beiden, wie sie ihren Freund durch die Disco schob. Aber es dauerte nicht lange, da waren die beiden ein absolutes Traumpaar. Weil sie so selbstverständlich mit dem Rollstuhl umgingen und die Dinge offensichtlich so nahmen, wie sie waren. Sie verkrochen sich nicht beschämt in ihrer Bude, sondern traten selbstbewusst nach draußen und lebten ihr Glück einfach.

Das sind natürlich alles nur positive Beispiele. Negative kenne ich persönlich nicht, denn diese verstecken sich ein wenig vor der Welt, ziehen sich zurück und lassen die Annäherung gar nicht zu. Viele basteln sich auch eine eigene Welt im Kopf, die ihnen viel sicherer als die wirkliche erscheint. Genau denen muss man doch zeigen, dass die Wirklichkeit noch viel besser als die im Kopf sein kann, wenn man sie sich ihr nur einmal hingibt. Und im Spiegel nur das sieht, was man ist. Und nicht nur den fehlenden Arm, die schiefe Nase, den krummen Fuß oder den Rollstuhl sieht. Denn der ist ja nicht Ich. Der ist nur ein kleiner Teil von mir, der zu mir gehört.

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