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Spätabtreibungen von behinderten Säuglingen – richtig oder falsch?

Beim Surfen durch das Inernet bin ich über einen schon etwas älteren, erschütternden Artikel gestolpert. Eine Frau, glücklich schwanger, die ihr behindertes Baby abtreibt.

Ich habe ja schon vor einigen Monaten mal darüber geschrieben, was ich über Spätabtreibungen denke, wenn es darum geht, Babys mit einer Behinderung abzulehnen.
In dem Artikel geht es um eine Frau, die ein normales Leben führt. Mit einem Mann, der mehr oder weniger zuverlässig ist, durchschnittlichem Kinderwunsch und einem plötzlich rund gewordenen Bauch.

Sehr eindringlich und dicht bringt einem die Süddeutsche die Liebe nahe, die Johanna für ihren Sohn empfindet. Wie sie über ihren Bauch streichelt, in dem gar kein Mateo mehr wächst. Wie sie weint, wie sie im Krankenhaus nach fünf Tagen nur noch brüllen kann und wie man ihr empfiehlt, das nach dem Abbruch eventuell lebendige Kind noch zu umarmen. Es liest sich, als würde die eigene Seele durch den Fleischwolf gedreht werden. Johanna wandelt am Abgrund, weiß nicht, was richtig ist und was falsch.

Bis zum sechsten Monat geht ihre Schwangerschaft gut. Glücklich und beschwingt geht sie zu der Untersuchung, nach der alles anders ist. Der Arzt erzählt ihr was von einem ,,Wasserkopf“ und einem offenen Rücken, medizinisch heißt das ,,Spina befida“.
Der erste Impuls zwingt sie dazu, das Kind behalten zu wollen. Doch nach und nach sickert die Erkenntnis, dass das Leben mit einem behinderten Kind nicht einfach wird. Ihr ist das egal. Aber dem Kind?

Ewiger Rollstuhl. Vielleicht geistig behindert. Ein lebenslanger Leidensweg, immerwährender Kampf. Johanna muss weinen, wenn sie daran denkt. Und entschließt sich nach vielen bangen Tagen, dass sie ihrem Sohn genau dieses Leiden ersparen möchte. Sie will ihn ,,gehen lassen“. Sie hat es ihm erklärt. Mit ihm geredet. Ihn dabei gestreichelt.

Spätabtreibungen sind keine Seltenheit. Wenn ein Paar ein behindertes Ungeborenes diagnostiziert bekommt, ist die erste Reaktion oft diese, es abzulehnen. Es nicht schaffen zu können. Gern schiebt man das Leid des Kindes vor, um das eigene aushalten zu können. Um es irgendwie zu tragen. Aber bevor man sich dem vermeintlich einfacheren Weg hingibt, sollte man sich Zeit nehmen, die richtige Antwort zu erfühlen. Seine eigene richtige Antwort. Die, mit der man für den Rest seines Lebens leben kann. Ohne zu verzweifeln und mit der Möglichkeit, loslassen zu können.

Es gibt Diskussionen und Forderungen darüber, diese Spätabtreibungen zu verbieten. Ärzten Strafen aufzuerlegen, wenn sie das Paar nicht zu weiterführennden Beratungen schicken. Ist das der richtige Weg? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Generell denke ich schon, dass das Recht auf Leben unverletzlich ist – auch für behinderte Menschen! Aber andererseits ist der ewige Leidensweg durchaus ein Argument. Aber was denkt denn ein behinderter darüber? Würde ein Mensch, der im Rollstuhl sitzt, sich im Bauch wiederfinden und sich entscheiden dürfen: Würde er sich wirklich gegen das Leben entscheiden…?

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