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Nick Vujicic ist behindert und hilft anderen, damit zu leben

Barrierefreiheit lebt von den Menschen, die sie machen. Und jeder ,,Krieg“, jeder ,,Kampf“, braucht Vorbilder, Ikonen. Menschen, die großartiges leisten und zu denen man aufschauen kann.

Wer behindert ist, hat oft ein Problem mit sich. Und mit seinen Vorstellungen von der Zukunft: Kann ich das noch erreichen? Und dieses tun? Was ist mit meinen Hobbys? Meinen Träumen?
Natürlich kann man diesen Menschen immer wieder sagen, dass sie natürlich wieder Spaß im Leben haben werden. Dass es nicht zuende ist. Dass es immer weiter geht, auch wenn man manchmal nicht weiß, wie.
Doch gesunde Menschen können sich da natürlich den Mund fusselig reden, wir stecken da nicht drin, nicht im Rollstuhl und auch nicht in einem Körper, der nicht mehr so will, wie wir das wollen.

Wie gut, dass es dann Menschen gibt, die es einfach vorleben. Nick Vujicic ist so einer. Geboren ohne Arme und Beine, hat er sich nicht davon beirren lassen, sondern ist stramm seinem Weg gefolgt. Geradeaus, ohne rechts und ohne links und ohne auch nur den leisesten Zweifel zu hegen, als er mal wieder an einer der vielen verlassenen Kreuzungen stand.
Weshalb er so auf die Welt gekommen ist, bleibt ungeklärt.

Nick ist voller Hoffnung, voller Lebensfreude und purer Motivation, das an andere Menschen weiter zu geben. Deshalb hat er die Organisation „Life Without Limbs“ gegründet, mit der er versucht, seine Botschaft an andere weiter zu geben. Das bedeutet konkret, dass er durch die Nationen reist, Vorträge hält und mit den Betroffenen spricht. Er ist fünfundzwanzig Jahre alt und wird in manchen Kreisen behandelt, wie ein Prophet mit heilenden Händen (ohje, mein kaum zu zügelnder Zynismus mal wieder… ).

Er ist ein streng gläubiger Christ, der auf seiner Webseite seine Nähe zu Gott erklärt und deutlich macht. Tief religiös versucht er natürlich, auch anderen diese Gläubigkeit nahe zu bringen. Denn der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge. Was ich darüber denke? Schwierig. Einerseits ist es ja sehr schön, dass da ein Mensch ist, der mit forschem Schritt (wenn auch nur mental…) voran schreitet und mutig zu einem neuen Leben aufruft: Alles ist möglich, alles können wir bekommen. Wir haben alles, was wir brauchen.
Allerdings bleibe ich skeptisch. Er ist zwar behindert, versteht es aber ausgezeichnet, aus seiner Behinderung Profit zu schlagen. Er macht einfach das Beste draus? Wirklich? Ist es nicht eher eine Zuschaustellung und der ,,echte“ Grund seiner ,,Lebensfreude“ ist – schiere Gier?

Wirklich beseelte Menschen machen sich nicht so viel aus Marketingstrategien. Werbekampagnen. Oder massentauglichen Psychotexten, die, so nett sie klingen, den Leser in eine bestimmte Richtung manipulieren sollen. Ich wüsste nicht, dass Mutter Theresa jemals sich selbst in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt hat? Und das mit einer aufwändigen, profitablen Strategie, die am Ende als ein Goldesel fungiert.
Warum mich das so sauer macht? Ganz einfach: Kein Mensch würde sich anmaßen, diesen Redner zu kritisieren. Er ist behindert und damit darf er aus dem Topf der unbegrenzten Möglichkeiten soviel rumrühren und rumschöpfen, wie es ihm beliebt. Dass da eventuell unlautere Absichten dahinter stehen, das wird geflissentlich ignoriert. Das Motiv scheint doch so rührselig herzensgut.

Warum mich das so stört, wo er so vielen offensichtlich doch trotzdem hilft? Weil es ein Rückschritt bezüglich der allgemeinen Barrierefreiheit ist. Weil Barrierefreiheit nicht bedeutet, dass man sich als behinderte Person jeden Freifahrtschein nehmen kann, der einem entgegen flattert. Dass man sich zur Schau stellt, dass man das Streben zu dieser speziellen Freiheit für sich missbraucht und ausnutzt, weil es den Weg zu einem aufrichtigen Miteinander wieder erschwert und verkompliziert.

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