Alltag

„The Rolling Exhibition“ – Kevin Connolly präsentiert in seiner Fotostrecke, wie mit Behinderungen umgegangen wird

Wir alle kennen es. Wir alle verurteilen es. Und wir alle tun es. Es ist wie ein neurotischer Zwang, wie unsichtbare Zügel, die uns lenken und für die wir uns irgendwie auch unsagbar schämen: Wir starren.

Ein Mensch im Rollstuhl steht an der U-Bahn und wartet auf den Zug. Leute gehen an ihm vorbei und können sich nicht beherrschen, sie müssen ihn anstarren. Und wenn nicht, dann sieht man zumindest einen gequälten Gesichtsausdruck, der sich zusammen reißen muss, es nicht zu tun.

Es ist wie mit einem Autounfall. Eigentlich wollen wir keine Schaulustigen sein, sondern lieber der Held. Aber da die Heldenrollen schon vergeben sind, bleibt uns nur noch das sensationslüsterne Gefühl, welches durch unsere Adern brodelt und welches wir einfach kaum kontrollieren können. Nach dem Starren schämen wir uns. Und tun uns selbst furchtbar Leid.

Währenddessen die Behinderten sich oft gedemütigt fühlen. Oder das Mitleid in den Augen nicht ertragen. Auch ist es die Neugierde, die weh tut und einem das ganz klare Gefühl gibt: Du bist nicht normal. Du bist anders als die anderen. Deshalb wirst du angeguckt. Dedshalb werden blöde Fragen gestellt.
Und genau dieses Ungleichgewicht versucht ein Mensch aus Amerika ins Lächerline zu ziehen.

Ihm fehlen beide Beine. Ab der unteren Körperhälfte klafft ein großes Nichts. Er kennt dieses kalte, nasse Gefühl im Bauch, wenn Menschen ihn anstarren. Unverhohlen. Beschämt. Oder einfach nur fragend.
Das hingegen fand er spektakulär – so, dass er bei jedem Blick die Kamera zückte und ein Bild schoss. Kevin Connolly präsentiert seine tiefsinnige Fotoreportage im Internet unter „The Rolling Exhibition“, wo er die Blicke aus seiner Perspektive nicht nur darstellt, sondern sie auch nochmal erklärt.

Ich bin begeistert. Die Fotos sind ästhetisch, aussagekräftig und tiefsinnig. Mal witzig, mal traurig und manchmal skurril. Oder einfach nur schön. Das Leben aus der Sicht seiner Person, seiner halben. Hinzu kommt sein Statement, welches die Moral der Geschicht´noch einmal deutlich bekräftigt. Ich habe mir seine ,,Arbeiten“ sehr gerne angesehen und musste des Öfteren auch mal schmunzeln. Besonders auch über mich selbst. Denn mal ehrlich: Findet ihr euch nicht in einem dieser Bilder wieder? Zumindest ein ganz klein wenig…? 😉

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