Alltag

Weihnachten für behinderte Menschen und die Barrierefreiheit

Ein Tag vor Weihnachten. Die drei besinnlichsten Tage stehen vor der Tür, der Weihnachtsmann klopft schon pochend an schwere Holztüren, Kinderstimmchen stimmen das eingeübte Gedicht an.

Familien rücken vor kuscheligen Kaminen näher aneinander, vielleicht bei einer heißen Tasse Kakao und erzählen sich mit rot glühenden Wangen Weihnachtsgeschichten, während die Atmosphäre sich wie eine Decke über die Herzen legt. Kekse backen und den Weihnachtsbaum schmücken, der Duft des Bratens schwebt auch schon über die kalten Flure.
Kinder sind aufgeregt und in den Straßen verebt gerade der letzte Einkaufsfluss, es tröpfelt nur noch vereinzelt und einsam hier und da in kauzigen Ecken.

Weihnachten ist allgemeinhin eine eher sorglose Zeit, besinnlich, mit schwerem Kerzenduft und bedächtig fallenden Schneeflocken. Die dicke, unberührte Schneedecke knirrscht bei jedem Schritt unter den warmen Winterstiefeln, während die Nasenspitze schon ganz taub gefroren ist. Schneeballschlachten würden im Sommer ja aber auch nur halb soviel Spaß machen, oder?

Die Weihnachtszeit ist aber nicht nur die Zeit der Geschenke und der absoluten Sorglosigkeit. Weihnachten ist das Fest der Besinnlichkeit. Also einmal in sich kehren und in sich ruhen. Sich selbst nicht zu wichtig nehmen und die Zeit mit den liebsten Menschen und der Familie zu verbringen und auch achtsam zu genießen.
Vielleicht ist das auch die Zeit, um sich einmal zu fragen, wie es behinderten Menschen in der Weihnachtszeit so geht. Besonders geistig behinderte Menschen brauchen viel Zuneigung und Zuwendung, um sich in unserer chaotischen, schnelllebigen Welt zurecht zu finden. In den letzten Jahren hat sich schon einiges bezüglich der Barrierefreiheit in unserer Gesellschaft getan, aber so richtig angekommen sind behinderte Menschen in unserer Mitte noch nicht. Zuviel wird noch diskutiert, zu sehr steht sie noch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ein gutes Zeichen wäre es, wenn es eine Selbstverständlichkeit ist, über die man eben nicht sprechen muss.

Viele behinderte Menschen haben leider gar kein richtiges Zuhause, in das sie zu der kuscheligen Weihnachtszeit gehen könnten. Viele wissen einfach nicht, wie sie mit der Andersartigkeit umgehen sollen und deshalb leben viele von ihnen in Heimen, Wohngemeinschaften oder andere Einrichtungen. Sie haben liebe Betreuer und ,,Leidensgenossen“ – aber ein Zuhause, ein Zuhause ist etwas ganz anderes. Das ist eine unausgesprochene Heimat, die man gar nicht in Worte fassen kann, die man nur fühlen und leben kann. Die Einsamkeit ist zu solchen Tagen besonders greifbar für diese Menschen und deshalb wünsche ich mir für diese Gesellschaft und deren Menschen, dass sie offener und ungezwungener miteinander umgehen lernt, dass jeder Mensch – ganz so, wie ,,Gott ihn erschaffen hat“ – seinen Platz findet, von dem er behaupten kann, dass er dorthin gehört. Dass das sein Zuhause ist, in dem er geliebt und gebraucht wird.

Ich wünsche meinen Lesern fröhliche Weihnachten! Und besinnliche Festtage mit ihrer Familie, lasst es euch gut gehen und hoffentlich habt ihr auch brav das Weihnachtsgedicht auswendig gelernt? 😉 Für alle, die gern ein bisschen zu spät dran sind, verät mein dreijähriges Patenkind euch gerne sein Gedicht:
,,Lieber guter Weihnachtsmann!
Bitte schau mich nicht so böse an,
packe deine Rute wieder ein,
denn ich will auch immer artig sein!“

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